Warum nehme ich nicht ab? Der Wasserhaushalt.

In der praktischen Ernährungsberatung zeigt sich oftmals die Situation, dass eine Klientin (bewusst wird hier die weibliche Form gewählt, da bei Frauen diese Problematik ungleich häufiger auftritt als bei Männern – die Erklärungen hierfür folgen später) nicht den gewünschten Verlust an Gewicht auf der Waage verbuchen kann. Dadurch wird die Motivation eine einmal begonnene Änderung des Essverhaltens (umgangssprachlich auch häufig salopp als «Diät» bezeichnet) schnell wieder verlassen wird.

Angestrebt wird bei einem neuen «Essprogramm» sicherlich in den allermeisten Fällen ein Verlust an Körperfettgewebe. Ein Abbau von Muskelmasse dürfte nur in wenigen Fällen bei Frauen erwünscht sein, denn die daraus resultierende schlaffe Optik mit potenziellen «Winkearm» dürfte ebenso wenig angestrebt werden wie der Rückgang des Grundumsatzes (des Basisenergieverbrauchs), der einen späteren Jojo-Effekt begünstigt. Ein Verlust an Körperwasser (der erwachsene Körper besteht alters- und muskelmasseabhängig zu ca. 50-60 % aus Wasser) ist natürlich ebenfalls mögliche Ursache von Gewichtsveränderungen, wird aber nur bis zu einem gewissen Ausmass vom Körper ohne gesundheitliche Einschränkungen toleriert. Genau diese Wasserveränderungen in der Flüssigkeitsbilanz sind jedoch für die täglichen Gewichtsschwankungen verantwortlich. So stehen manche Personen mehrfach täglich auf der Waage, erstaunt über die massiven Veränderungen im Verlauf mit wundersamem Gewichtstiefstand nach schweisstreibenden sportlichen Aktivitäten oder nach der Sauna. Diese Schwankungen können durchaus 1.5-2.0 l (bzw. kg) betragen und sagen lediglich aus, ob der Körper mehr oder weniger Flüssigkeit aufweist. Erst bei täglichem Wiegen früh morgens auf der Waage nach der Morgentoilette kommen ansatzweise etwas regulierte Werte heraus. Denn über Nacht wird der Körper bei einem über Tag akkumulierten Flüssigkeitsdefizit die Urinproduktion drosseln und bis in die Morgenstunden dadurch einen gewissen Ausgleich geschaffen haben. Wer abends sehr viel Wasser trinkt wird über Nacht evtl. 1-2 x zur Toilette müssen, denn die Nieren spülen über die Stunden ein Mehr an Flüssigkeitszufuhr zum Teil aus. Somit kommt es während des Schlafens zu einem gewissen Ausgleich von evtl. am Vortag oder Vorabend stattgefunden Abweichungen von der normalen Flüssigkeitszufuhr der Person. Wird nach dem Saunagang am Abend begeistert ein neues Gewichtstief registriert, so kommt es durch eine verminderte Urinproduktion über Nacht früh morgens zu einer Einsparung der üblicherweise produzierten Ausscheidungsmenge und nach der Morgentoilette bleibt nur noch ein Teil des Wasserverlustes auf der Waage zurück. Umgekehrt kann das viele Trinken am Abend das Gewicht auf der Waage vor dem Zubettgehen auf neue Höchststände treiben, die sich jedoch durch nierenbedingt reflektorisch vermehrte Flüssigkeitsausscheidungen über Nacht wieder etwas ausgleichen bis nach dem Aufstehen. Somit hat am nächsten Morgen nach dem Wasser lösen immer ein gewisser Ausgleich der «Flüssigkeitseskapaden» des Vortages stattgefunden, wodurch das früh morgendliche Gewicht immer noch den «neutralsten» Stand des eigentlichen Status quo darstellt.

Unabhängig von der getrunkenen oder ausgeschwitzten Menge an Flüssigkeit gibt es natürlich weitere Faktoren, die das morgendliche Gewicht beeinflussen: Salzzufuhr und Kohlenhydratspeicherung.

Eine konstante Salzzufuhr von z. B. 10 g täglich führt dazu, dass der Körper auch konstant 10 g Salz täglich ausscheidet. Somit entsteht ein Gleichgewicht, ein «steady-state». Wird nun aber, aus welchen Gründen auch immer, die Salzzufuhr akut deutlich reduziert, z. B. von 10 g auf 3 g pro Tag, so kommt es zu einem Verlust an Kochsalz über 1-2 Tage, bis die Niere die Salzausscheidung auf die neue Zufuhrmenge angepasst hat. Da jedoch Salz Wasser im Körper (im extrazellulären Raum und im Blutgefässsystem) bindet, käme in dieser Situation ein Wasserverlust von ca. 1 l über 2 Tage zustande. Dieser hätte rein gar nichts mit irgendeinem Fettverlust. Genauso wenig wie ein Gewichtsplus von mehr als 1 kg bei einer Person mit üblicherweise sehr salzarmer Kost, die plötzlich mehrfach am Tag Fertigprodukte und Fast Food in grossen Mengen verzehrt. Somit kann eine Salzzufuhr in jeglicher Menge auch keinen Einfluss auf Fettverlust und -zunahme ausüben – es geht immer nur um Gewichtsschwankungen aufgrund einer Veränderung in der Flüssigkeitsbilanz des Körpers. Und auch diese nivellieren sich schnell wenn jemand z. B. versucht mit weniger Salzzufuhr abzunehmen – es kommt über 1-2 Tage zu einem Flüssigkeitsverlust auf der Waage, danach pendelt sich das Gewicht wieder auf dem alten Pegel ein, wenn auch die Salzzufuhr der Niere angepasst wurde und der übliche Salzbestand des Körpers, der übrigens für das ordnungsgemässe Funktionieren z. B. der Muskulatur eminent wichtig ist, wiederhergestellt ist.

Der weitere Faktor, der deutliche Veränderungen im Körpergewicht verursachen kann, sind Schwankungen in der Kohlenhydratspeicherung im Körper. So kann der erwachsene Körper abhängig von Muskelmasse und Körperdimensionen in etwa 300-650 g Kohlenhydrate in Form von Glykogen in der Leber und der Muskulatur speichern. Dabei wird ein Gramm Glykogen mit etwa 3 g Wasser in der Zelle gebunden, wodurch Schwankungen im Wasserhaushalt von bis zu 2.5 kg alleine durch massive Einschränkung bzw. Erhöhung der Kohlenhydratzufuhr möglich sind. Bedenkt man hierbei noch, dass jede Veränderung der zugeführten Kohlenhydratmenge auch höhere / niedrigere Insulinspiegel verursacht und dieses Hormon Auswirkungen auf die Salzspeicherung im Körper hat, so werden die Schwankungen auf der Waage noch ausgeprägter: So kann es durch eine massive Reduktion der Kohlenhydrate in der täglichen Kost im Extremfall bis zu einem Verlust von 4 kg auf der Waage kommen, wenn vorher die Glykogenspeicher (die Wasser binden, siehe oben) reichlich gefüllt waren und durch die Senkung des Insulinspiegels mittels «Weglassen» der Kohlenhydrate auch eine deutlicher Salz- und damit Flüssigkeitsverlust zusätzlich eintritt. Dies erklärt die hohen Anfangserfolge bei Reduktion der Kohlenhydratzufuhr, die insbesondere bei Menschen mit hohen Insulinspiegeln und sehr zuckerhaltiger und kohlenhydratbetonter Kost zu bemerken sind. Wohlgemerkt, es kommt hier zu mehreren Kilogramm Gewichtsverlust auf der Waage, selbst wenn hierbei praktisch kaum wirklich Körperfett abgebaut wurde. Bedenkt man, dass ein Kilogramm Körperfettgewebe in etwa 8.000 kcal entspricht, so ist es auch leicht nachvollziehbar, dass ein Fettverlust von mehreren Kilogramm Fettgewebe in wenigen Tagen ausgeschlossen ist! Egal, was die Waage sagt. Mehr als 1 kg Verlust an reinem Fettgewebe in einer Woche sind spannende Ausnahmesituationen, die z. B. bei sehr übergewichtigen Männern mit hohem Energieumsatz und sehr niedriger Kalorienzufuhr erzielt werden können (z. B. eine Very Low Calorie Diet zum Abbau von vermehr vorhandenem Leberfett), aber nicht erzielt werden können bei einer körperlich inaktiven Frau, die nur leichtes Übergewicht aufweist oder gar nur ein paar «Problemzonen» bei Normalgewicht.

Umgekehrt verliert aber auch niemand seinen «Diäterfolg» über Nacht nach einem Kalorienexzess in Form von Pizza, Pasta und indischem Naanbrot. Wenn es durch eine kohlenhydratreduzierte Kost zu einem vorübergehenden Verlust an Wasser, Glykogen und Salz kommt, so «wartet» der Organismus durch die daraus resultierende hormonelle Einstellung nur auf eine Gelegenheit der Wasserspeicherung. So kann eine Mahlzeit mit salziger Suppe als Vorspeise, Pizza als Hauptgericht und Tiramisu als Dessert am nächsten Tag (und am Tag danach auch noch, da die Wasserspeicherung sich über 24 Stunden hinziehen kann) 2-3 kg mehr auf der Waage verursachen. In Form von Wasser und Glykogen! Sicher nicht in Form von Fett, denn dafür wäre ein Energieüberschuss von 16’000-24’000 kcal notwendig. In einer Mahlzeit nicht zu bewerkstelligen. Für die allermeisten Menschen auch nicht an einem ganzen Tag des «Überessens».

Ein solcher «Komplettverlust des vorherigen Diäterfolges» über Nacht auf der Waage sähe als zusammengerechnet eigentlich z. B. so aus:

350 g mehr an Glykogen durch den «Kalorien- und Kohlenhydratexzess», dazu 1’050 g mehr an Wasser in der Muskulatur und den Leberzellen.
15 g mehr an Salz als sonst in der vorherigen «Diätkost» üblich, damit auch 1.5 l mehr an Wasser zusätzlich im extrazellulären Raum.

Beides zusammen ergäbe 2.9 kg mehr an Gewicht, OHNE dass es hier zu einer Fettspeicherung käme, wenn man z. B. berechnet, dass der Kalorienexzess von 350 g mehr an Kohlenhydraten (entsprechend 1’400 kcal im Plus) dem Mehr an Energie über dem täglichen Energieverbrauch einer Person (z. B. 3’000 anstatt 1’600 kcal bei einer 60 kg Frau mit Büroarbeit) entspräche.
Dies bedeutet, die Dame hat «magisch» über Nacht auf der Waage fast 3 kg zugelegt, dabei aber eigentlich NICHT EIN EINZIGES GRAMM FETT angesetzt. Trotz allem wirft sie die Flinte ins Korn mit der Denke «wofür quäle ich mich denn 3 Wochen mit einer Diät, wenn ich mit einmal beim Essen über die Stränge schlagen alles wieder drauf habe??» Würde sie einfach weitermachen mit der vorher praktizierten Kost, so würde sich die Wasserüberschüsse nach 2-3 Tagen weitgehend wieder abgebaut haben und der es wäre der alter Erfolg wieder hergestellt. Genauso verfrüht ist also die Vorfreude über 4 kg Gewichtsverlust nach einer Woche «strenger Diät» mit einem Energiedefizit von täglich 1`000 kcal (z. B. eine «Stoffwechselkur» mit extrem strengen und mageren 450 kcal täglich bei bereits oben genannter Büroangestellten): Einem Fettverlust von 1 kg nach einer Woche (7 Tage lang 1’150 kcal täglich steht ein weiterer Gewichts-/Wasserverlust von 3 kg gegenüber durch Abbau der Glykogenspeicher (350 g, gebunden an 1’050 g Wasser, zusammen 1.4 kg) und 16 g Kochsalzabbau durch Absenkung der Insulinspiegel und damit Loslösung von vorher exzessiv gespeichertem Wasser gegenüber. Somit kann die Dame den Kurerfolg von 4 kg auch mit einer exzessiven Mahlzeit fast komplett wieder verlieren auf der Waage.

Der Ausweg aus dem Dilemma? Die täglichen Schwankungen der Waage als gegeben hinnehmen, als Hinweise auf Schwankungen im Flüssigkeitshaushalt akzeptieren, sich relaxen und täglich das Gewicht früh morgens notieren.
Wenn man nämlich nun jeden Tag das Gewicht notiert, dann nach 7 Tagen einen Wochendurchschnitt bildet und nur noch diese Wochendurchschnitte von Woche zu Woche als «geglättete» Daten zur Beurteilung heranzieht, dann bekommt man ein einigermassen «ehrliches» Abbild der wahren Verhältnisse der Gewichtsveränderungen AUFGRUND VON ECHTEN GEWEBEVERÄNDERUNGEN. So lassen sich wirkliche Rückschlüsse ziehen was im Körper passiert, weitgehend unabhängig von den täglichen Wasserschwankungen, die hier statistisch herausgerechnet werden. Gehen die Wochendurchschnittswerte konstant nach unten, so ist man/frau auf dem richtigen Weg, unabhängig davon, ob es auch einmal Tage mit einem (Wasser-)Plus auf der Waage gibt oder nicht. Unabhängig davon ob Tage mit zu wenig Essen, Zucker, Salz und Trinken auch einmal scheinbare magische Gewichts-(sprich Wasser)verluste über Nacht in Gang gesetzt haben.

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