HCG-Diät, \“Stoffwechselkur\“

Aufgrund vieler Anfragen zum Thema möchte ich kurz Stellung beziehen zum Thema „HCG-Diät“ bzw. „Stoffwechselkur“ oder ähnlicher Konzepte.
Die HCG-Diät ist seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts bekannt und geht zurück auf Dr. Simeons. Er verschrieb seinen Patienten für die Gewichtsreduktion eine 3-6-wöchige, praktisch fettfreie Diät mit 500 kcal oder weniger pro Tag in Verbindung mit HCG-Injektionen.
Humanes Choriongonadotropin (HCG) ist ein Hormon der weiblichen Plazenta, das vermehrt in der Schwangerschaft produziert wird und die Aufrechterhaltung des Gelbkörpers garantiert. Der Nachweis von HCG dient dazu eine Schwangerschaft zu sichern („Schwangerschaftstest“). Das Hormon wird aus dem Urin schwangerer Frauen gewonnen und findet in der Schulmedizin seine Anwendung bei Frauen mit ausbleibendem Eisprung, wenn eine fehlende Ausschüttung von Hormonen aus der Hirnanhangdrüse für diese Unfruchtbarkeit verantwortlich ist. Bei Männern wird es verwendet um eine zu geringe Testosteronproduktion, ausgelöst durch einen Mangel an dem Hypophysenhormon LH, zu therapieren oder um bei männlichen Säuglingen eine fehlende Absenkung des Hodens zu korrigieren. Im Sport kommt HCG gelegentlich missbräuchlich zum Einsatz, um die körpereigenen Testosteronproduktion bei Männern zu erhöhen. Aus diesem Grund ist HCG auf der Dopingliste zu finden und in Deutschland wird ein solcher Missbrauch strafrechtlich als Doping im Sport verfolgt.

Simeons beobachtete den erfolgreichen Einsatz von HCG-Injektionen bei Patienten / Kindern mit Fröhlich-Syndrom. Dabei handelt es sich um eine hormonelle Störung, die durch einen Tumor des Zwischenhirns ausgelöst wird. Dabei fallen die männlichen Kinder durch Fettleibigkeit mit weiblicher Fettverteilung, hormonelle Störungen, Minderwuchs und verzögerte bzw. ausbleibende Pubertät auf. Durch die intramuskulären Injektionen von HCG kann hier erfolgreich eine Korrektur der hormonellen Defizite beim Testosteron ausgeglichen werden und die jungen Patienten verlieren deutlich an Fettmasse. So entstand die Idee, HCG als „Abnehm-Hormon“ einzusetzen.

Simeon gab seinen Patienten tägliche Injektionen von 125 I.U. HCG in Verbindung mit einer massiv energiereduzierten Kost und konnte damit erstaunliche Erfolge bei der Gewichtsreduktion verbuchen. Da HCG ein Eiweisshormon ist, ist eine orale Einnahme wirkungslos. HCG wird im Rahmen der Verdauung durch die Magensäure zerstört und gelangt nicht in intakter Form ins Blut. Es muss injiziert werden und unterliegt der Verschreibungspflicht. Viele Anbieter eine Variante der HCG-Diät verwenden rezeptfreie Globuli oder andere homöopathische Zubereitungsformen. Aus schulmedizinischer Sicht muss man daher allerdings eine Wirksamkeit ausschliessen, da kein HCG im Blut „ankommen“ kann. Es soll an dieser Stelle nicht weiter auf eine mögliche Wirksamkeit homöopathischer Präparate eingegangen werden, da diese Diskussion bereits seit Jahrzehnten zwischen Schulmedizinern und Naturheilkundlern erfolglos bei immer weiter verhärteten Fronten geführt wird. Festzuhalten bleibt, dass ein Anstieg von HCG durch homöpathische Präparate oder Globuli niemals nachgewiesen werden konnte. Und selbst wenn, so dürfte es dadurch zu keinem Erfolg bei der Fettreduktion kommen, denn HCG weist keinerlei fettabbauenden Effekte auf, keinen Appetithemmung, keine Set-Point-Veränderung, keine Stoffwechselaktivierung oder ähnliches. Schwangere verlieren unter HCG-Einfluss schliesslich auch kein Fett und können durch eine Schwangerschaft auch nicht dauerhaft ihren Setpoint nach unten verändern (erfahrungsgemäss geht dieser eher hoch!). Auch eine Appetithemmung in der Schwangerschaft dürfte den meisten Müttern unbekannt sein. Wie bereits erwähnt, lediglich bei der seltenen Störung des Fröhlich-Syndroms ist ein solcher Fett reduzierender Effekt nachgewiesen worden.
Trotzdem sind die HCG-Diät bzw. Varianten erfolgreich bei der Gewichtsreduktion. Dies ist einzig und allein der massiven Ernährungsumstellung zuzuschreiben. Durch eine massive Einschränkung der Energiezufuhr von unter 500 kcal am Tag kommt es bei JEDEM zu einer Gewichtsabnahme. Das Energiedefizit wird aus Speichern gedeckt, und zwar Fettgewebe und Muskelmasse. Zusätzlich kommt es zu einem deutlichen Wasserverlust, der von Kunden ebenfalls positiv auf der Waagebemerkt wird. Aus physiologischer Sicht ist folgendes festzuhalten:
Der Gewichtsverlust ist massiv, insbesondere Wasser. Ferner werden Fettgewebe und Muskelmasse reduziert. Das Verhältnis von verlorenem Fett zu abgebauter Muskelmasse wird dabei bestimmt durch den Ausgangs-Körperfettwert: Je höher der Fettgehalt einer Person zum Ausgangszeitpunkt, umso höher der Fettverlust und umso geringer Muskelabbau. Ein 150 kg schwerer Patient wird also kaum Muskelmasse mit abbauen, ein Sportler mit 10 % Körperfett oder weniger wird sogar mehr Muskelverlust als Fettverlust erfahren.

12 von 13 methodisch sauberen Studien mit Placebo-Kontrolle konnten bei der HCG-Diät keine Wirksamkeit des Hormons gegenüber der Gabe einer Kochsalzlösung feststellen (vgl. Tabelle in Lijesen et al., 1995).Somit kommen die Autoren zu dem Schluss: „We conclude that there is no scientific evidence thatHCG causes weight-loss, a redistribution of fat, staves off hunger or induces a feeling of well-being. Therefore, the use of HCG should be regarded as an inappropriate therapy for weight reduction,…

It seems reasonable to conclude that the effect of the Simeons therapy can be attributed to a diet of 500 kcal, but that the HCG has no specific effect.“
Sprich, die HCG-Diät wirkt, aber nur wegen dem Ernährungsregime! Eine Durchführung der Kostvorgaben ohne Verabreichung von HCG oder Globuli wirkt genauso. Oft werden weitere Zusatzprodukte / Vitalstoffe mit verkauft unter der Begründung, diese seien nötig um den Erfolg zu garantieren. Vorweg: Eine massiv einseitige Kost über 3-6 Wochen kann der Körper leicht „verkraften“ ein deutliches Mikronährstoffdefizit tritt hier nicht erstmalig auf. Eher bei Personen, die bereits vorher jahrelang sehr einseitig und „ungesund“ gegessen haben, aber diese profitieren sicherlich am meisten von einer nährstoffreicheren Kost und nicht von einer noch einseitigeren Kost mit zusätzlicher Gabe von Vitalstoffen. Zumal die oft mit verkauften Produkte die propagierten Effekte auf die „Entfettung“ des Hypothalamus, den Setpoint oder die Entgiftung des Körpers in Humanstudien niemals zeigen konnten. Im besten Falle existieren Hinweise auf Reagenzglasversuchen, die aber in Studien mit Übergewichtigen noch nie verifiziert werden konnten.

Und was kommt nach der Kur oder Diät? Die Wirksamkeit einer stark energiereduzierten Kost auf lange Sicht ist durchaus gegeben. Solche Diäten führen zwar nach Beendigung wieder zu einem Anstieg des Körpergewichts, allerdings oft nicht bis zum früheren Ausgangsniveau. Somit bleibt oft ein Teil des verlorenen Gewichtes als Erfolg stehen. Dies hängt wiederum vom Ausgangs-Körperfettwert ab: Je fetter jemand zu Beginn ist, desto grösser die Chance, dass auch langfristig ein Teil des Erfolgs gehalten werden kann. Bei Schlanken kommt es oft zu einem Wiederanstieg des Gewichtes bis zum alten Wert bzw. darüber hinaus.
Viele Anbieter werben zudem mit mehr Vitalität und einem Verjüngungseffekt. Beide Parameter entziehen sich einer objektiven wissenschaftlichen Bewertung und sind somit dem subjektiven Eindruck des Patienten überlassen. Plausibel physiologisch begründbar sind beide Effekte nicht. Auch eine wie auch immer entartete „Entgiftung“ kann nicht nachvollzogen werden, da bei der Diät freigesetzte Giftstoffe aus dem Fettgewebe nach Beendigung der Diät wieder dort landen, wo sie herkamen. Fettlösliche Giftstoffe können frei im Blut zirkulierend nicht eliminiert werden, da sie dazu eben gerade nicht fettlöslich sein dürfen, sondern wasserlöslich, um über die Nieren ausgeschieden werden zu können. Eine solche Transformation müsste in der Leber geschehen und wäre dann vermutlich mit einer deutlich erhöhten Belastung des Organs verbunden.

Weitere Argumente sind oft, dass kein Hungergefühl aufträte, es zu einer besseren Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit komme, eine Stimmungsaufhellung einträte. Dies kann durchaus passieren, da es bei massiver Einschränkung der Energie und Minimierung der Kohlenhydratzufuhr zur Bildung von so genannten Ketonkörpern im Organismus kommt. Diese können, wie beim Fastenden, den Hunger unterdrücken und auch im Gehirn stimmungsverbessernd wirken, sobald das Gehirn durch die fehlende Kohlenhydratzufuhr von der Glukoseverbrennung auf die Nutzung von Ketonkörpern umsteigt.
Ein verbessertes Hautbild mit weniger Cellulite dürfte kaum zum erwarten sein, da ein rascher Gewichtsverlust, wie bei der HCG-Diät, immer zu einer eher „zu weiten“ und „schlabbrigen“ Haut führt. Eine Cellulite hängt ausserdem in erster Linie von der Genetik und den weiblichen Geschlechtshormonen bei Frauen ab und kann mit Ernährungsmassnahmen nur wenig beeinflusst werden (ausgenommen bei adipösen Frauen, wo der sehr hohe Körperfettwert die bereits vorhandene Cellulite durch die prall gefüllten Fettzellen optisch ausgeprägter erscheinen lässt).

Somit ist abschliessend zu sagen: Die HCG-Diät oder ähnliche Konzepte mit homöopathischen Zubereitungen sind effektiv, aber nur weil gleichzeitig eine massive Einschränkung der Energiezufuhr über die strikten Ernährungsvorgaben erfolgt. Eine langfristig erfolgreiche Gewichtsreduktion ist nur bei massiv Übergewichtigen zu erwarten oder wenn im Anschluss eine deutliche Änderung des Lebensgewohnheiten dauerhaft beibehalten wird. Ein Placebo-Effekt im Rahmen einer solchen Kur ist sicherlich oftmals gegeben und führt zu einer konsequenten Befolgung der Essvorgaben. Und egal, welches Kostschema eingehalten wird – mit weniger als 500 kcal am Tag funktioniert der Gewichtsverlust auf der Waage IMMER! Man muss die Kunden / Patienten nur dazu bringen, sich an die strikten Vorgaben zu halten, sei es mit Globuli, mit hohen Kosten, mit speziellen Vitalstoffen etc.

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